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Häufig gestellte Fragen zu SVV Die Webmasterin versucht aus ihrer ganz persönlichen Sicht heraus häufig gestellte Fragen zu selbstverletzendem Verhalten zu beantworten.
Ist SVV eine Mode-Erscheinung?
Nein. SVV wurde schon in den 1920er Jahren von Freud beschrieben, ist also kein neues Symptom bzw. keine neue Krankheit,
geschweige denn eine kurzlebige Modeerscheinung. Selbstverletzendes Verhalten tritt seit den 90er Jahren gehäuft auf. Ähnlich wie
Magersucht oder Bulimie in den Jahrzenten davor. SVV ist sicherlich kein Mittel um "cool" zu erscheinen oder einen
bestimmten, (öffentlichen Mode-)Trend mitzumachen. Es kommt sogar öfter vor, dass von SVV Betroffene glauben, SVV für sich
erfunden zu haben. Der Betroffene verletzt sich in der Regel, wenn er allein ist und er versteckt seine Wunden und Narben. Es ist
also niemand da, dem er mit seinem SVV imponieren könnte. Ist SVV ein Zeichen für ein pubertäres Verhalten?
Nein. SVV wird von Unbeteiligten gerne abwertend als pubertäres Verhalten abgetan, was meist keine neutrale Aussage
zum Alter darstellt, sondern provozierend die Reife des Betroffenen in Frage stellt. Vorurteile gegenüber psychischen
Erkrankungen allgemein und die Angst vorm anders-sein führen bei vielen Menschen dazu, dass sie fremdes Verhalten
als verrückt, pubertär oder sektiererisch bezeichnen, um sich nicht näher damit auseinander
setzen zu müssen. Wenn ältere Betroffene mit der Eigenschaft pubertär belegt werden, möchte man sie als dumm
und unreif charakterisieren. Jedoch erkranken häufig Jugendliche an SVV, die seelisch weitaus reifer als ihre Altersgenossen
sind, nicht selten auch intelligenter. Gibt es typische Persönlichkeitsmerkmale/Eigenschaften
Ja. Menschen, die sich selbst verletzen, sind in der Regel besonders sensibel und haben ein unterdurchschnittliches Selbstwertgefühl. Sie
sind perfektionistisch und selbstkritisch und genügen deshalb oft nicht ihren eigenen Anforderungen. Sie neigen dazu negative Ereignisse, Sprüche etc.
auf sich zu beziehen, auch wenn sie ganz offensichtlich nicht an sie gerichtet sind. Sie sind häufig
überdurchschnittlich intelligent; auch der Anteil an Hochbegabten scheint bei ihnen höher zu sein als im Bevölkerungsdurchschnitt. Sind alle autoaggressiven Menschen in ihrer Kindheit
Nein. Leider trifft es zu, dass ein Großteil der autoaggressiven Menschen in der Kindheit Vernachlässigung, Misshandlung oder
Missbrauch erfahren musste. Oft sind diese Menschen traumatisiert, das heißt, sie haben belastende Erlebnisse erfahren und
verdrängt, aber irgendwann brechen sie hervor und bestimmen direkt oder indirekt ihr weiteres Leben. Ist SVV ein gesellschaftliches Problem?
Ja. Selbstverletzendes Verhalten ist ein Problem der Industriestaaten.
Die Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel. Vergleicht man die heutige Zeit mit früher, so ist auffällig,
dass die Familien immer kleiner werden (weniger Kinder, Ein-Elter-Familien) und es eine Vielzahl an Familienformen gibt,
die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Anzahl der Scheidungen steigt und mit ihnen die Verlustängste der Kinder.
Auch haben Familienverbände früher räumlich dichter zusammen gewohnt und die Familienmitglieder
waren sich in der Freizeit näher, weil man ohne Fernsehen, Computer und Smartphone mehr aktive Zeit miteinander verbracht hat. Sind von SVV Betroffene der "schwarzen Szene" zuzurechnen?
Nein. Selbstverletzer sind weder satanistisch, noch gehören sie irgendwelchen mystischen Gruppen an. Dass sie sich oft dunkel
kleiden, dürfte zum einen der Mode geschuldet sein, zum anderen ihre oft traurige Grundstimmung widerspiegeln. Wie fängt SVV an? Ist das schon SVV?
Verhalten wie Fingernägel kauen und Mückenstiche aufkratzen schädigen auch den eigenen Körper, haben jedoch meist nichts
mit SVV zu tun. Dass sich "harmlose Selbstverletzungen" mit den Jahren zu SVV steigern, ist nicht zu erwarten. Was sind typische Hinweise auf selbstverletzendes Verhalten?
Eltern sollten aufmerksam werden, wenn mehrere der aufgeführten Verhaltensweisen zusammen kommen: Persönlicher Rückzug
des Jugendlichen aus der Familie UND dem Freundeskreis, kein Interesse mehr an Freizeitaktivitäten in der Gruppe, dafür
gesteigerte Internetaktivitäten, depressive Stimmung oder starke Stimmungsschwankungen, langärmelige Klamotten zu jeder
Tages- und Jahreszeit, blutige Oberbekleidung, unglaubwürdige Erklärungen von Verletzungen, Zeichnungen mit mystischen
oder düsteren Motiven. Bei Fehlalarm lassen sich diese Dinge in der Regel problemlos und nachvollziehbar besprechen. Die Herkunft der Verletzungen wurde mir erklärt,
Typische Ausreden für Selbstverletzungen sind "Unsere Katze/Kaninchen hat mich gekratzt", "Ich bin in die Hecke gefallen",
"Ich bin mit dem Messer abgerutscht" oder ähnliches. Natürlich kann so etwas passieren, aber eine Häufung derartiger
Zwischenfälle ist unwahrscheinlich. Verletzungen, die aus den genannten Situationen resultieren, würden auch nicht versteckt werden. Ich habe typische Verletzungen gesehen. Was soll ich jetzt tun?
Sobald die Verletzungen von der Umwelt registriert und angesprochen werden, erfolgen vom Betroffenen in der Regel
unglaubwürdige Erklärungsversuche oder hektisch-panische Reaktionen, beispielsweise Flucht aus dem Zimmer. Eltern
sollten den Betroffenen nicht zu einem Gespräch zwingen, sondern ihm Gelegenheit geben sich zu beruhigen, bevor sie
ihn auf die Selbstverletzungen ansprechen.
Natürlich darf man SVV nicht ignorieren! Ein erstes Gesprüch sollte nicht unnötig lang sein, denn der Betroffene
fühlt sich höchst unwohl, beschämt und gestresst, wenn er auf sein SVV angesprochen wird. Es ist wichtig, dass man mit dem
Betroffenen alleine ist und keine weiteren Zuhörer hat. Man sollte ihm seine Beobachtungen mitteilen und
Gesprächsbereitschaft und Hilfe anbieten. Beschuldigungen, Drohungen und Kontrollen sind auf jeden Fall fehl am Platz! Der Betroffene blockt ab und redet nicht mit mir,
Dass der Betroffene mit den Eltern nicht über seine Probleme und SVV reden möchte, ist der Normalfall. Das tut weh, aber es ist so.
Man sollte trotzdem Gesprächsbereitschaft anbieten, aber ohne dabei Druck auszuüben.
Wenn es mit dem Reden von Angesicht zu Angesicht nicht klappt, ist vielleicht ein schriftlicher Austausch in Form von Briefen
oder E-Mails eine Alternative.
Auch wenn kein Gespräch möglich ist, sollte Hilfestellung auf anderen Gebieten erfolgen: Eltern können Materialien zur
Wundversorgung bereit stellen oder die Möglichkeiten einer Therapie ansprechen. Auch wenn der Betroffene nicht
redet, so hört er doch meist (eine Zeitlang) zu. Soll ich den Betroffenen einfach weiter machen lassen?
Es ist für die Familie belastend das selbstverletzende Verhalten zu beobachten, aber nicht helfen zu können.
Eltern fühlen sich hilflos und ohnmächtig, aber sie müssen die Situation aushalten und versuchen einen kühlen Kopf zu
bewahren. SVV ist keine Krankheit, die innerhalb von wenigen Wochen heilbar ist. Wenn es den Eltern selber schlecht
geht, sind sie dem Betroffenen keine Hilfe. Vielmehr wird er sich auch noch an deren schlechter Verfassung die Schuld
geben. Es gibt von Elternseite eigentlich keine Chance dem SVV aktiv entgegenzuwirken, weder durch viel Liebe
und Verständnis, noch durch Druck oder Zwang. Wie verhalte ich mich richtig dem Betroffenen gegenüber?
Eltern sollten den Betroffenen ganz normal behandeln. So, wie sie es gemacht haben, bevor sie von seinen
Selbstverletzungen erfahren haben. Er hat ein Problem/eine Erkrankung, auf die sie Rücksicht nehmen
müssen, aber sie dürfen ihn als Person nicht darauf reduzieren. Manchmal hilft die Vorstellung, wie man sich verhalten
würde, wenn der Betroffene nicht an SVV leiden würde, sondern eine körperliche Erkrankung, z.B. Diabetes, hätte. Wie lange dauert SVV? Hört es irgendwann auf?
Niemand wird sein ganzes Leben mit selbstverletzendem Verhalten verbringen wollen, und jeder kämpft früher oder später
dagegen an. Aber der Leidensdruck muss erst entsprechend groß sein, bevor sich
der Betroffene Hilfe sucht. Mit wem kann ich als Angehöriger reden, ich fühle mich so hilflos!
Es ist schwierig mit anderen Menschen offen über SVV zu reden. Zum einen können Unbeteiligte oft weder das
Selbstverletzungsverhalten an sich noch die Nöte der Angehörigen nachempfinden, zum anderen halten die Betroffenen
ihre Selbstverletzungen geheim, was die Eltern veranlasst ähnlich zu handeln. Einmal ausgesprochen lässt sich die
Information um die Erkrankung des Kindes nicht mehr zurück nehmen; das sollte auf jeden Fall bedacht werden. Es ist
sicherlich fraglich, ob es grundsätzlich vernünftig und hilfreich ist, wenn auch die Eltern das SVV tabuisieren,
aber man muss sehr sorgsam mit dem Wissen umgehen, weil ein mögliches Zwangsouting für den Betroffenen sehr
belastend sein kann.
Mein Kind hat mir versprochen aufzuhören,
Ein vielleicht sogar unter Druck gegebenes Versprechen hat in etwa den Wert eines ehrlichen Vorsatzes. Der Betroffene will
ja aufhören sich zu verletzen und versucht es. Aufgrund des Suchtcharakters ist es ihm aber nicht möglich: Der Druck wird
immer grüßer werden und irgendwann muss er ihm nachgeben. Ein gebrochenes Versprechen wird zusätzliche Schuldgefühle
verursachen, und er wird sich in seiner Sicht als Versager wieder einmal bestätigt fühlen. Das Versteckspiel beginnt
von vorne, aber unter erschwerten Bedingungen.
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