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Das ist also mein Leben??
findus, 19 w
Das ist also mein Leben??
Ich habe angefangen mich zu schneiden als ich 15 war, glaub ich. Zu der
Zeit hatte ich meinen ersten „richtigen“ Freund und
war eigentlich ziemlich glücklich. Aber er hat 250km entfernt
gewohnt und wir haben uns oft wochenlang nicht gesehen. Am Anfang war
das für mich überhaupt kein Problem. Aber mit der
Zeit fiel es mir immer schwerer. Ich lag nachts oft weinend im Bett und
konnte vor lauter Trauer und Verzweiflung nicht schlafen. Und dann hat
es angefangen: ich habe im Internet von Menschen gelesen, die sich
selbst verletzen und denen das hilft, mit ihrem Leben klarzukommen.
Also habe ich auch versucht, mich selbst zu verletzen. Am Anfang hat
mir das überhaupt nichts gegeben. Es hat einfach nur furchtbar
weh getan und mir psychisch sehr geschadet. Aufgehört habe ich
aber trotzdem nicht. Denn mein damaliger Freund hat sich, als er die
ersten Schnitte sah, Sorgen um mich gemacht. Ich konnte ihn nun nachts
anrufen. Konnte ihn jederzeit bitten, NUR für mich da zu sein.
Ich hatte endlich die Aufmerksamkeit, die ich mir von ihm so sehr
gewünscht habe.
Mit der Zeit ist das Schneiden damals für mich zur
Normalität geworden. Irgendwann hatte ich mich daran
gewöhnt, zu schneiden, wenn es mir schlecht ging. Es war nie
sehr tief. Es war nie eine Kurzschlussreaktion. Deswegen war ich auch
immer der Meinung, dass das kein psychisches Problem sei, wie bei den
anderen Leuten. Da ich das ja eh nur mache, um Aufmerksamkeit zu
kriegen und nicht, weil es mir wirklich schlecht ging. Aus dem Grund
habe ich auch nie in Foren nachgelesen, weil ich immer dachte: die
anderen habe tatsächlich „richtige“
Probleme, aber ich mache das ja nur, um beachtet zu werden.
Als mein Freund mit mir Schluss gemacht hatte, ging es mir sehr
schlecht. Aber in dieser Zeit habe ich aufgehört, mich zu
verletzen. Schließlich waren er und seine Aufmerksamkeit die
Gründe für mein Verhalten und das war ja eh vorbei.
Zwischendurch habe ich mich ab und an nochmal geschnitten. Aber es war
nie sehr oft und nie tief. Ich kann heute auch gar nicht mehr sagen,
warum ich das gemacht habe. Vermutlich war genau das die Zeit, in der
sich das Schneiden transformierte und begann, sich als
Problemlösestrategie für mich zu entwickeln.
Massiv damit angefangen habe ich erst wieder, als ich mit 18 wegen
meines Studiums ungezogen bin . Dort hab ich mich manchmal ziemlich
alleine gefühlt. Hatte meine alten Freunde nicht mehr, hatte
aber auch noch keine neuen Menschen gefunden. Hatte keinen Freund. Fand
mich viel zu dick. Das klassische Programm, quasi. Außerdem
haben mich meine Eltern, vor denen ich die SV immer konsequent
versteckt habe, dann nur noch einmal im Monat gesehen und es fiel mir
so viel leichter, die SV zu verbergen.
Das war auch der Punkt, ab dem ich merkte, dass mir das Schneiden
hilft, meinen inneren Druck abzubauen. Auch in dieser Zeit habe ich das
nie als Kurzschlussreaktion angesehen, sondern hatte und immer das
Gefühl, es unter Kontrolle zu haben. Nach vier oder
fünf Monaten habe ich dann angefangen, mich oft zu betrinken,
immer mit hartem Alkohol. Außerdem habe ich angefangen, Gras
und Zigaretten zu rauchen – etwas, das ich bis dahin immer
vehement abgelehnt hatte. Und ich hatte Sex mit Menschen, mit denen ich
nicht zusammen war, und von denen ich auch teilweise nicht wusste, wie
unsere Beziehung danach aussehen würde. Nebenbei habe ich mich
trotzdem weiter verletzt, habe es mit Alkohol und Zigaretten
kombiniert. Ich saß dann oft nachts weinend an meinem
geöffneten Fenster, habe Wodka aus der Flasche getrunken, viel
geraucht und laut Musik gehört. Und mich dann
anschließend verletzt. Besonders unter der Woche war das
manchmal schon fast ein Ritual für mich. Ich verletzte mich
mit Messern, Skalpellen, Scheren, Steinen und Rasierklingen. Vor allem
an den Beinen und am Bauch, wo es niemand mitbekam. Zu der Zeit habe
ich das so nicht wahrgenommen – richtig bewusst geworden ist
es mir erst jetzt, wo ich diese Zeilen hier schreibe.
Seit fünf Monaten bin ich jetzt mit meinem Freund zusammen,
und bin unglaublich glücklich. Die Zeit ist in den letzten
Monaten verflogen, ohne dass wir es wirklich bemerkt haben. Ich liebe
ihn sehr. In den ersten paar Wochen, nachdem wir zusammenkamen, ging es
mir sehr gut. Mein Freund ist Straight Edge, lehnt also Drogen und Alk
strikt ab. Allerdings hat er an mich nie den Anspruch gestellt, ihm das
gleich zu tun. Trotzdem habe ich, seit wir zusammen sind,
aufgehört zu trinken und zu rauchen, womit es mir immer noch
sehr sehr gut geht. Nach einigen Wochen – er hatte meine
Narben mittlerweile schon gesehen – fing ich allerdings
wieder an, mich zu verletzen. Ich kann gar nicht genau sagen, was der
Grund dafür war. Aber vielleicht war es einfach der viele
Stress mit der Uni, ein sehr komplizierter und anstrengender Umzug und
die Tatsache, dass ich oft wenig Geld habe.
Als meine SV immer mehr zunahmen, sprach er mit mir sehr eindringlich
darüber. Er versicherte mir, für mich da zu sein und
mir zu helfen, wenn ich das möchte. Nach einiger Zeit
beschlossen wir zusammen, meinem SVV quasi „den Kampf
anzusagen“. Ich versprach mir selbst und auch ihm, dass ich
versuchen würde, mich nicht mehr zu verletzen. Nach einigen
Tagen, ich war wieder mal bei ihm, fragte er mich nach meinem Befinden.
Ich erzählt stolz, dass ich die letzten Tage
„clean“ geblieben war, trotz großem
Stress in verschiedenen Lebensbereichen. Zur Feier des Tages backten
wir einen fantastischen Schoko-Ananaskuchen. In dem Moment hatte ich
das Gefühl, es wirklich ohne Therapie und alles schaffen zu
können.
Geklappt hat es leider nicht. Ich kam mehrmals in Situationen, vor
allem wenn ich alleine war, in denen ich keinen anderen Ausweg wusste.
Zeitweise hatte ich schlimme Bedenken, dass mein Freund mich verlassen
könnte, wenn ich mit dem SVV nicht aufhöre. Diese
Sorgen hat er mir zum Glück genommen. Oft konnte ich die SV
unterbinden, indem ich zu ihm ging – das hat mir fast immer
sehr geholfen. Einmal konnte ich das jedoch nicht, und ich habe mich,
während er schlafend neben mir lag, verletzt, weil ich diesem
Druck einfach nichts mehr entgegensetzen konnte.
Nach dieser Nacht habe ich ihm die
„Rote-Linien“-Website gezeigt – besonders
die Ratschläge für Angehörige haben ihm wohl
sehr geholfen. Trotzdem habe ich mich in den letzten Tagen mehrmals
geschnitten, sehr tief, mit Rasierklingen. Besonders auf den alten
Narben an den Beinen.
Gleichzeitig habe ich aber auch eingesehen, dass ich das ohne
professionelle Hilfe nicht schaffe. Meine Gedanken drehen sich nur noch
darum, es ist unglaublich belastend. Deshalb habe ich gerade eben eine
psychosoziale Beratungsstelle in meiner Stadt angeschrieben. Ich
verspreche mir davon sehr viel und lege all meine Hoffnungen hinein.
Aber trotzdem wird es noch ein sehr sehr weiter, schwere Weg sein.
20.12.2011
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