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Ich habe meine Leben nicht verdient
black&white, 16 w
Du meine Güte, ich weiß gar nicht wo und wie ich anfangen soll. Ich habe mir hier mehrere Beiträge durchgelesen und dann kommt schon wieder dieses Gefühl hoch. Ich denke mir dann, schau mal, die Leute da, die haben wirklich Probleme. Die leben in einer schlechten Familiensituation oder sind sogar vergewaltigt worden. Dann fühl ich mich so undankbar und dann drängt sich mir der Gedanke auf, dass ich es doch gar nicht verdient hätte zu existieren. Und dann fall ich wieder in so ein tiefes Loch, aus dem ich mich nur befreien kann, wenn ich mich ritze. Denn dann kann ich mich wieder spüren und merke, dass ich trotz meiner selbst zerstörerischen Taten und Gedanken immer noch am Leben bin.
Ich darf eigentlich gar keine Probleme haben, warum auch? Ich habe tolle Eltern. Eltern die immer für mich da sind und die mich lieben, die mich in den Arm nehmen und die sich für mich interessieren. Aber genau letzteres ist mir zu viel. Ich bin Einzelkind und die ganze Erziehung konzentriert sich auf nur auf mich. Sie wollen alles über mich wissen und wollen immer alles richtig machen. Aber irgendwie üben sie dann auch wieder unbewusst Druck auf mich aus, indem sie mich immer über alles ausquetschen.
Eine kurze Schilderung meines Lebens:
Im Kindergarten war ich nicht sonderlich beliebt, ich hab nicht mit Puppen gespielt und mich einfach nicht so mädchenhaft verhalten. Wir hatten zu Hause einen riesigen Garten und da mein Vater auch noch Staudengärtner von Beruf ist, hab ich die meiste Zeit draußen zwischen Pflanzen verbracht. Ich hatte damals eine gute Freundin und das hat mir auch gereicht.
Ich wurde nicht gemobbt, sondern einfach nur links liegen gelassen und wurde somit als „sonderbar“ abgestempelt. Meine Eltern haben mich einfach ganz anders erzogen. Wir wohnen hier in der absoluten Provinz und meine Mutter kommt aus der Stadt, sie liebt Literatur und Kunst, kulinarische Streifzüge und englische Gärten. Aber sie hat einen großen Fehler : ihr Beruf. Sie ist Grundschullehrerin. Als ich sechs Jahre alt war, sind wir in ein kleines Nachbardorf umgezogen, dorthin wo der Arbeitsplatz meiner Mutter ist und auch der meine werden würde. Wir haben dann ein Haus gebaut.
In meiner Grundschule waren ca. 100 Schüler, d.h. Jeder kannte jeden. Und jeder wusste, wer meine Mutter war. Ich hatte bis zur zweiten Klasse eine sehr gute Freundin (zu der anderen aus Kindergartenzeiten war der Kontakt abgebrochen). Aber in der Klasse wurde ich aufgrund meiner Ausdrucksweise (ich konnte/kann keinen Dialekt sprechen) und meiner Kleidung (meine Mutter liebt klassische Kleidung, d.h. Kordhosen, Blusen und einfarbige T-Shirts) als komisch bezeichnet und eher gemieden. Das war nicht weiter schlimm für mich, denn ich stehe sehr ungern im Mittelpunkt und ich habe lieber wenig Freunde, die dafür umso treuer sind.
In der dritten Klasse kamen zwei Neue in die Klasse. Eine von ihnen hat sich meine einzige Freundin gekrallt und ich stand dann auf einmal ganz alleine da. Ich hatte auch keine Chance anderweitig Freunde zu finden, denn alle wussten, dass ich die Tochter der Lehrerin bin und mit so einer wollte man nichts zu tun haben. Man hat mich nie körperlich angegriffen, jedoch immer zu verstehen gegeben, dass ich unerwünscht bin.
In dieser zeit bin ich oft weinend nach Hause gekommen, wenn mir mal wieder jemand einen Zettel in die Jackentasche gesteckt hat, auf dem draufstand, dass mich niemand leiden könne.
Gleichzeitig bin ich den Ministranten beigetreten (aber nicht aus religiösen Gründen, einfach so). Doch dort wurde ich ziemlich mies behandelt, weil ich nicht aus dem Dorf bin und hochdeutsch rede und Fachwörter (z.b. skuril) benutzt hab.
Ich hab mich auch einfach nie für die Sachen interessiert, die andere so toll fanden, z.b. No Angels oder so Zeug.
Ich bin dann ins Gymnasium übergetreten und hab dort auch wieder eine freundin gefunden. Ich habe zwar manchmal Sprüche wie : „Ich würde mir an deiner Stelle ne Tüte über den Kopf ziehen“ wegen meiner Akne anhören müssen, aber sonst war alles gut. Ich habe bis zum heutigen Tag keine schulischen Probleme und eigentlich wäre ab da alles gut gewesen , wenn nicht vor zwei Jahren ein guter Freund von mir bei einem von seiner Mutter verschuldeten Autounfall gestorben wäre. Ich war damals 14 und für mich ging eine Welt unter. Ab dem Tag dachte ich täglich, dass ich hätte sterben sollen und nicht er, dass ich es nicht wert sei weiterleben zu dürfen, während er in einem Sarg verrottet.
Kurz darauf bin ich in Bulimie abgerutscht. Und im Sommer ein halbes Jahr später hab ich mit dem Ritzen angefangen. Ich war zu der Zeit so fertig und voller Selbsthass und das einzige, dass mir noch gezeigt hat, dass ich da bin, war Schmerz. Ich hab mich immer mehr zurückgezogen und hab immer nur Kalorien gezählt oder geschlafen oder mich übergeben. Wenn ich dann mal rausgegangen bin, hab ich gejoggt wie blöd und mich dabei meistens übernommen (ich hab mich innerhalb von einer Woche an die 4km Grenze rangerannt). Manchmal hab ich zwei Mal täglich geduscht und dann gab´s wieder ne Zeit, in der ich mich zwei Wochen lang nicht duschen konnte (also Haarewaschen und rasieren schon noch). Mein Spiegelbild war eine unerträgliche Qual für mich und ich zog nur noch weite Klamotten an und hab mir die Haare ganz kurz geschnitten, sodass man mich manchmal für nen Jungen gehalten hat. Ich war kein echter Mensch mehr. Ich habe teilweise zwei Tage lang nichts gegessen und dann in einer Stunde soviel, sodass das für zwei Tage gereicht hätte.
Wieder ein halbes Jahr später hab ich mich kurz vor Silvester geoutet. Ich war so unter Druck. Und ich konnte einfach nicht mehr. Ich habe meiner Oma Tabletten geklaut und stand auch schon fast auch dem Balkongeländer. Ich hab mich zuerst meiner Freundin S. Anvertraut und anschließend meinen Eltern, die besorgt und auch entsetzt waren. „Du bist so abartig“. Sie haben psychologische Hilfe vorgeschlagen, die ich aber vehement ablehnte. Ich glaube, dass sie nie umrissen haben, wie schlecht es mir ging. Sie dachten wahrscheinlich, dass ich nur aufmerksamkeit wollte. Und das Tollste ist auch noch, dass ich von Seiten meiner Eltern und Freunde keinerlei Vertrauen mehr hab. Sie sind immer misstrauisch wollen mich wieder ausquetschen.
Seit der 8. Klasse haben sich meine Freunde wieder geändert. Wir waren ein Dreierteam (liebevoll meine Spießgesellen genannt) S. , T. Und ich. S. Hat mich öfter auf Kratzer angesprochen, aber ich hab alles geleugnet. Ich habe oft Komplexe vor S., weil sie Modelmaße hat und manchmal über andere lästert, die in meinen Augen nicht wirklich dick sind (zu mir meint sie, dass ich ne schöne Figur hätt und nicht abnehemen könne, was ich ihr aber nicht glaube).
Warum ich eigentlich so plötzlich mit meinen Problemen herausgerückt bin? Ich war verliebt in einen Typen P. , der eines Tages kurz vor Weihnachten bei mir zu Hause auftauchte. Wir haben uns im Schulbus kennen gelernt. Er war 18 und ich 15. Anfangs war ich nicht sicher, ob er auch eine Beziehung wollte, aber nach langen Wochen des Ungewissen waren wir zusammen. Das war die schönste Zeit meines Lebens, ich hatte mit der Bulimie und dem Ritzen endgültig abgeschlossen. Doch im September fing er an zu Studieren und ich habe in effektiv nur noch ein mal pro Woche gesehen. Dann fing ich wieder mit dem Ritzen an, weil ich so allein und traurig war. Die alten Selbstzweifel überkamen mich und mit ihnen kam auch der Selbsthass wieder zurück.
Ich habe glaub ich eine zwiegespaltene Persönlichkeit. Einerseits bin ich total selbstbewusst, lass mir nichts vorschreiben und habe einen starken Charakter. Ich mache dauernd Schwachsinn und bin humorvoll und erzähl dauernd lustige Sachen. Einige Leute kommen auch zu mir und fragen mich um Rat, wenn sie Probleme haben. Ich setzte mich gerne für Leute ein und man hat mich (komischer Weise) zum Klassensprecher gewählt.
Doch wenn ich zu Hause in meinem Zimmer bin, dann bin ich ganz klein und traurig. Ich finde mich häßlich und dick und wenn jemand zu mir sagt, dass das eher das Gegenteil wär, kann ich ihm nicht glauben. Ich hasse mich und mir ist mein Leben schlicht und ergreifen scheiß egal.
Ich habe keine Angst vor dem Sterben, nur vor dem Augenblick, wenn ich doch wieder aufwache und meinen Eltern ins Gesicht schauen muss. Ich liebe sie ja.
Ich ritze mich nicht tief, weil die Verletzungen immer schnell heilen müssen. Ich habe von der Schule aus Schwimmunterricht und man braucht immer ein ärztliches Attest, wenn man fehlt. Aber ich bin beispielsweise einen total steilen und gefährlichen Berg mit dem Skateboard runtergefahren. Es ist unmöglich dort unten anzukommen, schon mit nem Fahrrad ist das problematisch. Schon nach ein paar Metern hatte ich über 30km/h. Ich bin dann runtergesprungen und hab mir riesige Narben an den Beinen, Ellbogen und der Hand zugezogen. Aber der Anblick des vielen Blutes hat mir so pervers es klingt, einfach glücklich gemacht. Ich glaub, dass ich mich irgendwie im Unterbewusstsein dazu entschlossen hab, denn jeder halbwegs nicht debile Mensch hätte das nie gemacht.
Ich habe mich letzte Woche von meinem Freund P. getrennt. Wir lieben uns immer noch, aber ich kann die Situation einfach nicht aushalten. So blöd es klingt, aber wir haben uns einfach zu früh kennen gelernt.
Manchmal denke ich, dass es an der Zeit ist einfach aufzuhören und zu gehen. Zu sterben. Ich war immer schon etwas weiter als die anderen meines Alters. Ich denke einfach, dass ich alles wichtige schon erlebt hab. Freude und Leid, Schmerzen und Glück und die Liebe.
Und in mir ist einfach so viel gestört, ich habe aufgrund der Bulimie mein Sättigungsgefühl verloren, ich verletze mich selber, ich bin abhängig von Süßigkeiten, ich bin manchmal zu Tode traurig und ich kann mein Spiegelbild nicht aushalten und deshalb schau ich mich immer in Spiegel an, um mir selbst zu zeigen wie widerlich ich bin. Es ist auch schon vorgekommen, das plötzlich wildfremde Leute mir ein Kompliment zu meinem Aussehen machen, doch das kommt im Inneren gar nicht mehr an.
Aber Leute denkt einfach, dass es immer jemanden gibt, dem ihr wichtig seid. Es gibt Leute, denen euer Schicksal, euer Leben oder eure Gedanken etwas bedeuten. Und wenn ihr ganz unten seid, denkt dran, dass ihr, bevor ihr weggehen wollt, noch einiges vorhabt. Wenn du neben einem Berg von Schlaftabletten sitzt, auf ner Brücke stehst oder das Messer in der Hand hast, dann denk dran, dass du dich vom Leben noch gar nicht richtig verabschiedet hast. Denn bevor man stirbt muss man doch unbedingt noch ein Stück Schokoladentorte essen, mit Klamotten ins Schwimmbecken springen und die ganze Welt umarmen.
Irgendwie versuch ich hier schon wieder andere zu motivieren und doch bin ich selber so weit, dass wenn ich die Gelegenheit zu sterben hätte, ich sie höchstwahrschienlich nutzen würde, weil ich einfach deine Perspektive seh und für mich das Leben sinnlos ist, weil man nie glücklich ist und sein Leben lang nur arbeiten muss, um mal 6 Wochen im Jahr freizuhaben. Und schon in der „schönsten Zeit des Lebens“ (d.h. Schule) bin ich so unglücklich.
Diese Woche hat die Schule wieder angefangen und ich steh jeden Morgen mit dem Gefühl auf, dass ich mein Leben nicht hinkriege. Mir wächst das alles irgendwie über den Kopf. Meine Mutter redet schon vom Abitur (ich bin jetzt in der 10.) und ich kann mir nicht mal die nächsten 10 Minuten vorstellen. Ich muss immer gut sein und engageiert.
Ich habe vor zwei Jahren sehr gerne gezeichnet und Bilder gemalt, aber mit einfachsten Mitteln; schnell nen Bleistift geschnappt und was abgezeichnet. Daraufhin haben mir meine Eltern Zeichenpapier, spezielle Stifte und so Zeug gekauft. Seitdem kann ich nichts mehr zeichnen , da lastet wieder ein Druck auf mir (wenn ich jetzt schon so was hab, muss ich es auch ausnutzen).
Im letzten Jahr hab ich dann angefangen zu schreiben. Kurzgeschichten, eine Persiflage usw. Ich habe während dem Unterricht geschrieben und wenn wir in Deutsch alle entweder Gedichte oder lyrische Sachen ausarbeiten und anschließend vorlesen mussten, haben sich manche sogar meine Geschichten kopiert. Neulich hatte ich ein Gespräch mit S. und T. über unsere Zukunft. Ihre Aussage über die meinige war, dass ich sicher mal Schriftsteller werde, aber denkbar magersüchtig oder drogenabhängig (sowas denken meine Freunde von mir, ok, ich muss zugeben, dass ich schnell von Dingen abhängig werde). Aber seit sie gemeint haben, dass ich evtl. mal was mit Schreiben machen werde, konnte ich nichts, aber auch nichts mehr zu Papier bringen, wie gesagt, da lastet schon wieder so ein Leistungsdruck auf mir.
Wenn ich aufstehe, hab ich das Gefühl, dass ich jemand sein werde, von dem man beim Klassentreffen nach 20 Jahren sagt „Ja, E. ist leider mit 16 auf der Strecke geblieben, und keiner hätte es gedacht“. In der Schule bin ich dann wieder ein ganz anderer Mensch, der wie schon erwähnt laut und einfach ein kleiner Revolutzer is. Und wenn ich heimkomm kämpf ich den ganzen Nachmittag mit dem Essen (ich bin irgendwie Schokoladensüchtig und schleich dauernd um die Speisekammer rum und denk dauernd an Essen. Und dann krieg ich wieder nen Bulimieanfall, bei dem ich erst glücklich bin, wenn ich fertig mit kotzen bin). Und bevor ich ins Bett geh, hol ich dann die Rasierklinge raus (spätestens abends).
Das is doch kein Leben, oder? Und ich will so auch nicht weitermachen, einerseits könnte ich ne Therapie machen, doch wie soll ich das meinen Eltern klar machen? Andererseits will ich einfach nur sterben und wenn das schon momentan noch nicht geht, will ich mit dem ritzen weitermachen. Ich bin grad an einem Punkt angelangt, an dem ich einfach nicht mehr weiterweiß.
Und ich kann einfach auch mit keinem reden. Selbst wenn jemand da ist, kann ich micht ihm einfach nicht anvertrauen.
So, ich hoffe, ich hab hier das wichtigste untergebracht , jaja ich olle Labermaschine =)
Und danke fürs Lesen und viel Glück bei der Bewältigung des Irrsinns des Alltags!!!! Lasst euch nicht unterkriegen !!! (wenn´s schon bei mir nicht klappt)
gvlg black&white
19.04.2007
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